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Arbeitsweise

Mit der Kamera in freier Natur –
Pirschen, Ansitzen, Tarnen

Wer die fototechnischen Belange beherrscht, hat noch lange keine Garantie, gute Natur- bzw. Tierfotos zu machen. Die fotografische Praxis ist genauso wichtig wie die Technik. Speziell beim Fotografieren von Wild führen unterschiedliche Vorgehensweisen zum Ziel. Je nach Motiv kann man sich in Ansitz oder Pirsch versuchen.


Pirsch 

Im Gegensatz zur Jagd sind der fotografischen Pirsch relativ selten gute Fotos zu verdanken. Es handelt sich meist um Glückstreffer. Bei der Pirsch heisst es, sich sehr vorsichtig auf Wegen und Strässchen durch das Gelände zu bewegen. Es gilt, mit wachen Sinnen möglichst geräuschlos zu pirschen. Regelmässig ist aufmerksam der Wind zu prüfen. Natürlich ist auch dem Untergrund das notwendige Augenmerk zu schenken. So ist es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, nach lang anhaltender Trockenheit auf laubbedecktem Waldboden ein Tier anzuschleichen und dabei unentdeckt zu bleiben. Jedes Rascheln und Knacken verrät den anpirschenden Fotografen. 

Je nach Saison können die Tiere unterschiedlich gut angegangen werden. Am einfachsten ist dies meist zur Zeit der Liebe, d.h. während der Balz oder Brunft, möglich. Die Tiere sind vom Liebesspiel abgelenkt und somit unvorsichtiger.

Unterschätzen darf man das Wild während dieser Zeit jedoch keineswegs. Immer ist irgendwo ein "Wachtposten" im Einsatz. Das Wild ist auf der Fotopirsch zu respektieren - die jeder Tierart eigene Fluchtdistanz darf auf keinen Fall unterschritten werden. Diese Art der Fotografie bedarf einer sehr grossen Erfahrung. Die Tiere sollten den Fotografen eigentlich nicht spüren - denn wer will schon flüchtiges Wild fotografieren...

Ansitz

Um einiges erfolgreicher als das Fotografieren auf der Pirsch gestaltet sich die Ansitzfotografie. Man kehrt einfach den Spiess um. Anstatt das Wild anzugehen, sitzt man möglichst geräuschlos in einem geeigneten Versteck und lässt das Wild an sich heran kommen. Das gefragt Motiv - zum Beispiel ein äsendes Reh - darf den Fotografen nicht bemerken. Aus dem Versteck kann man in Ruhe das natürliche Verhalten des Tieres studieren und nach Möglichkeit auf Film oder Chip bannen. 

Die Ansitzfotografie gehört zu meiner beliebtesten Art der Fotografie. Bevor ich jeweils einen Ansitz einrichte, muss ich die Tiere, ihr Verhalten, ihre Einstände (Standorte) und Aktivitätszeiten kennen. So verwende ich viel Zeit, manchmal Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre, für das Beobachten von Tieren und Lebensraum. Erst wenn ich mir sicher bin, einen geeigneten Ort gefunden zu haben, beginne ich mit den Aufbau des Ansitzes. Dies kann ein einfach gebauter Erdsitz, ein Naturschirm aus Tannenzweigen oder schlicht Stein-, Schilf- oder Schneehaufen sein. Bevor man damit beginnt, Zeltgestänge aufzustellen, Tarnnetze zu installieren und Tuchbahnen aufzuhängen, sollte man sich Gedanken machen, ob nicht einfach Mutter Natur zur Hilfe genommen werden kann. Manchmal wirken ein paar Tannenäste, Steine und Grasbüschel bereits Wunder. Der Fotograf verschmilzt damit praktisch mit der Umgebung. Hinzu kommt, dass solche Einrichtungen viel weniger auffällig sind und man nicht sinnlos Material in die Natur zu schleppen braucht. 

Beim Bau von Ansitzen ist darauf zu achten, dass genügend Platz für Fotograf und Kamera vorhanden ist. Der Blick sollte praktisch in alle Himmelsrichtungen frei sein. Auch der Standort ist genau zu prüfen. Dankbar sind Ansitze vor allem am Rand von Lichtungen und Weiden, an Bauen sowie in der Nähe von Salzlecken und Wildwechseln. Die Einrichtung des An- sitzes muss lange vor dem Beginn der fotografischen Aktivitäten  erfolgen. 

Viele Tiere reagieren ziemlich misstrauisch auf jede noch so kleine Veränderung in ihrem Habitat. So sollte zum Beispiel der Naturschirm vor dem seit Jahren befahrenen Fuchsbau bereits im Februar/ März installiert werden. Für die Fuchswelpen gehört somit das Tarnversteck von Anfang an zu ihrem Lebensraum. 

Das Versteck ist so anzulegen, dass es für Passanten nicht auf den ersten Blick erkenn- und auffindbar ist; die Gefahr dass dieses von Unerfahrenen benutzt wird, ist zu gross. 

Scheut man die Einrichtung eines Ansitzes, geht es natürlich noch einfacher. Man setzt sich irgendwo an eine Waldlichtung und lehnt sich an einen Baum oder Fels. Wer die Geduld aufbringt, reglos zwei, drei oder mehr Stunden an diesem ungestörten Waldfleck zu sitzen, wird überrascht sein, was sich hier alles abspielt. Bereits nach einer halben Stunde zeigt sich am Fusse des Nebenbaumes  ein neugieriges Eichhörnchen, etwas später schnürt ein Fuchs vorbei und beim Einbruch der Dämmerung zieht ein starker Rehbock über die Lichtung. Der Fotograf verbleibt - sofern er sich ruhig verhält - für die beschäftigten Tiere meist unerkannt.

Speziell zu beachten ist für den nichtjagenden Fotografen, dass er vor allem in Jagdgebieten nicht abseits von Wegen geht und jagdliche Einrichtungen benützt, ohne das Verständnis der Jäger einzuholen.


Versteck auf vier Rädern 

Selbst moderne Einrichtungen wie das Auto sind geeignet, Wild aus relativ kurzer Distanz zu fotografieren. Der Mensch im Auto wird von den Tieren als solcher nicht wahr genommen. Das brummende und stinkende Blechvehikel wird als ungefährlich taxiert. Es scheint keine Gefahr davon auszugehen. Diesen Vorteil kann sich der Fotograf - sofern es die Verkehrssicherheit und -lage zulassen - durchaus zunutze machen. So können zum Beispiel vom Feldweg aus Fuchs, Hase, Reh oder Graureiher fotografiert werden. Nach Möglichkeit ist das Seitenfenster mit einem leichten Netz zu verhängen. Durch ein Loch desselben kann das Objektiv zielgerichtet durchgeschoben werden. Unterlassen sollte man im Wageninnern hastige Bewegungen und lärmige Tätigkeiten. Der grösste Vorteil dieses "Tarnversteckes" ist seine Mobilität.

Um ein besserer Naturfotograf zu sein, musst du ein besserer Naturkenner sein. Je mehr du über die Natur weisst, desto mehr Motive wirst du erkennen. Öffne Ohren und Augen für die Welt um dich herum, und bewahre Respekt und Ehrfurcht gegenüber deinen Motiven.

John Shaw